Nach einer letzten dreizehnstündigen Zugfahrt in einem Hard-Sleeper-Abteil voller neugieriger (aber erstaunlicherweise sehr gut erzogener) chinesischer Internatsschüler von Guilin nach Shenzhen, haben wir China nach sieben Wochen via einem Fussgänger-Grenzübergang (!!!) wieder verlassen (naja, zumindest nach offizieller chinesischer Ansicht haben wir ja lediglich „Festlandchina“ verlassen; fragt man hingegen einen „Hongkongnesen“, ob er sich als Chinese fühlt, ist die Antwort ein klares, fast schon entrüstetes „Nein“; ausserdem sollen uns die Zollbeamten dann einmal bitte erklären, was genau sie kontrollieren, wenn wir ja lediglich einen anderen Landesteil betreten…).
Und angekommen sind wir im Shopping-Paradies der Welt, wo es nichts gibt, was man nicht kaufen könnte – natürlich unter der Voraussetzung, dass man das nötige Kleingeld mit sich führt (wohl nirgends auf der Welt ist die Dichte an Läden, welche Schweizer Uhren verkaufen, höher als in Hong Kong). Was sofort auffällt: die einzelnen Inseln, aus welchen der Staat besteht, sind alle sehr hügelig und mit dichtem Grün bewachsen. Wie im Falle der Schweiz mit ihren Bergregionen, fällt dadurch ein erheblicher Anteil der Landesfläche für die Besiedlung weg, weshalb die Wohndichte der restlichen Fläche extrem hoch ist (noch viel höher als in der Schweiz, da Hong Kong XXX Einwohner hat, jedoch eine Landesfläche von nur XXX Quadratkilometern). Resultat: In Kowloon und auf Hong Kong Island werden Gebäude mit weniger als 20 Stockwerken als eine nicht vorstellbare Platzverschwendung angesehen. Leider zieht sich dieses Prinzip „effizienter Besiedlung“ auch ins Innere von Gebäuden – in unserem Fall namentlich unseres Hostels – weiter… Unser Zimmer war zwar topmodern und mit eigenem Bad, dafür aber nur gut 10 Quadratmeter gross (inklusive Bad) Andererseits würde Hong Kongs weltbekannte Skyline ohne die Wolkenkratzer nicht existieren; und das wäre schade, ist sie doch sehr sehenswert und dank der täglich stattfindenden Symphony of Lights (einer Licht- und Lasershow, bei welcher die höchsten Gebäude auf beiden Seiten der Bucht im Rhythmus der musikalischen Untermalung beleuchtet werden) die beliebteste Sehenswürdigkeit der Stadt.
Natürlich sind wir aber nicht nur wegen den beeindruckenden Gebäuden zehn Tage geblieben. Zum ersten Mal hatten wir nämlich für das Land, welches wir als nächstes besuchen (Indien) noch kein Visum organisiert. Die Beschaffung erwies sich jedoch dank dem „Anstell-Wahn“ der Einwohner Hong Kongs (sogar in den – oft völlig überfüllten – Restaurants wird eine Nummer gezogen, wie in der Schweiz bei der Post und auch an der Busstation stellt man sich in die entsprechende Warteschlange) als sehr unproblematisch und nerv schonend. Nicht auszudenken, wie das Ganze abgelaufen wäre, wenn wir das Visum in Peking beantragt hätten .
Da unsere Haare seit unserer Abreise vor drei Monaten keine Schere zu Gesicht bekommen haben, war es mehr als überfällig, zum Coiffeur zu gehen. Nach längerer Internetrecherche (wenn man einmal die ausgeflippten Frisuren der Leute hier gesehen hat, kann man nicht mehr davon ausgehen, dass jeder Friseur einen „anständigen“ Schnitt im Repertoire hat) ward ein Figaro gefunden, von welchem wir uns einen anschaulichen, praktischen und langanhaltenden Haarschnitt erhofften. Die Sache war zwar (für Hong Konger Verhältnisse) nicht ganz günstig (etwa gleich teuer wie in der Schweiz), wir sind mit dem Resultat soweit aber ganz zufrieden…
Mit so einer schicken Frisur mussten wir uns natürlich sofort auch ins lokale Nachtleben stürzen. Dies war – kurz zusammengefasst – speziell, aber auch teuer: als Europäer muss man sich zwar nicht anstellen, sondern wird von den Türstehern an der Menge vorbeigelotst und in den VIP-Bereich verfrachtet, bezahlt aber exorbitante 400 HK $ Eintritt (ca. 50 Franken) und muss sich den Weg zur Tanzfläche (liegt 4 Stockwerke weiter unten) mühsam erkämpfen und erfluchen (Aussage eines Security, welcher uns den Weg versperren wollte und darauf von uns beiden einige nicht ganz zimperliche Kommentare erhielt: „Please don’t be angry with me!“).
Natürlich wollten wir auch einmal den typischen Sonntag der lokalen Bevölkerung kennen lernen. Da wir bereits in Moskau zwei Geschwister aus Hong Kong kennengelernt haben, beschlossen wir, sie um eine Einführung zu bitten (thanks again to Crystal and Hercules; hope to see you someday in Switzerland). Demzufolge sieht ein freier Tag in Hong Kong wie folgt aus: man geht essen, spaziert ein bisschen, geht was essen, fährt in einen anderen Stadtteil, zieht eine Nummer in einem Restaurant, verbringt die Wartezeit mit Shopping und … na, könnt ihr es euch denken?… natürlich, geht am Ende des Tages noch einmal schön essen
Dass der Verpflegung in diesem Land ein grosser Stellenwert zugemessen wird und man praktisch jegliche kulinarische Köstlichkeiten aus der ganzen Welt erhält, haben wir aber bereits an unserem ersten Abend herausgefunden: mit einem gewissen Mass an Sättigung bezüglich asiatischer Küche sind wir aus China ausgereist und haben bereits seit Wochen von einem saftigen Cordon Bleu geträumt…und wie es der Zufall so will, befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu unserem Hostel ein Schweizer Restaurant Die Sache war nicht billig (fast so teuer wie zu Hause), aber gut. Und es gab sogar Quöllfrisch
. Übrigens haben wir auch einige typische Hong Konger Spezialitäten gekostet: Gefrorenes Joghurt mit Früchten, „Mooncake“ (traditionelles Gebäck) und Suppe mit Schwein oder Rind (und zwar nicht nur dem Fleisch, sondern dem ganzen Tier: Haut, Innereien und sogar geronnenes Blut).
Und welches sind die Attraktionen der Stadt (neben Essen, Skyline und Shopping)? Nun, eine Hafenrundfahrt bei Nacht gehört sicherlich zum obligatorischen Programm, wenn man in Hong Kong ist. Der Besuch des „Victoria Peak“ (Aussichtsplattform auf einem Hügel oberhalb der Bucht von Hong Kong Island) ist zumindest laut Reiseführer zwar ebenfalls eine Hauptattraktion, aus unserer Sicht aber eher der beste Weg, um die eigenen Aversionen gegenüber chinesischen (Festland-)Gruppentouristen auf einen neuen Höchststand zu schüren und das eigene Portemonnaie gehörig zu schröpfen.
Wir möchten jedoch drei Dinge erwähnen, welche nicht sehr populär sind, uns aber enorm gefallen haben: Da wäre einerseits die Fahrt mit den uralten, doppelstöckigen Trams auf Hong Kong Island. Aus unserer Sicht die schönste Form, den Finanzbezirk mit seinen modernen Wolkenkratzern zu erkunden, ohne sich einen Hitzeschlag mit gleichzeitiger Erkältung einzufangen (Hong Kong ist im Sommer heiss und feucht, die Einkaufszentren und Gebäude hingegen auf ca. 20 Grad herunter gekühlt).
Die beiden anderen Punkte betreffen Hong Kong (das Land) aber nicht unbedingt Hong Kong (die Stadt). Es existieren nämlich noch einige weitere Orte auf den Inseln, welche jedoch längst nicht die Ausmasse des Zentrums selbst erreichen und teilweise schon fast als abgeschieden zu bezeichnen sind. Einer davon ist Sai Kung: dieses Fischerdorf ist ein äusserst beliebtes Ausflugsziel der Stadtbewohner und bietet einige exzellente Seafood-Restaurants, wobei vor allem der Bestellvorgang äusserst aussergewöhnlich ist, da man sich sein späteres Essen noch in lebender Form aus einem der zahlreichen Aquarien aussucht. Will man zwar exotischen Fisch essen, dies aber nicht im Restaurant, dann „bestellt“ man sich das Getier am besten fangfrisch bei Dämmerung bei einem der zurückgekehrten Fischer.
Von Sai Kung aus, kann man per Minibus ein Stück in Richtung Sai Wan fahren. Gestoppt und Ausgestiegen wird dann inmitten eines Nationalparks. Nach einem knapp 40-minütigen Marsch erreicht man dann den ersten von vier traumhaften Stränden. Weisser Sand, türkisblaues Meer, nicht mehr als 30 Personen im Umkreis von 200 Metern…und das alles in nächster Nähe zu einer der pulsierendsten Städte Asiens…wirklich schön.