Vereinigte arabische Emirate (V.A.E) by Nicola: VAE = Von Allem Etwas

Lange erwartet und sogar in letzte Minute fast gescheitert: so könnte man den Beginn unserer ersten „richtigen“ Ferien (Zügeln zählen wir jetzt einmal nicht zu dieser Kategorie) dieses Jahr beschreiben. Endlich alle Anweisungen an die Handwerker gegeben, Koffer gepackt und Stellvertreterregelung im Geschäft definiert, wollten wir per Zug an den Flughafen Zürich reisen. Leider fielen nicht nur die vier nächsten Züge nach Zürich aus, sondern der fünfte – welcher dann auch tatsächlich gefahren ist – hielt in so bedeutenden Ortschaften wie „Holderbank“, war unklimatisiert und stand während etwa 20 Minuten ohne Begründung im HB Zürich herum.

Zum Glück haben wir es dann auf die letzten Minuten vor Schalterschliessung doch noch geschafft und konnten unseren Urlaub dank des wirklich exzellenten Services (auch in der Economy) von Emirates entspannt starten. Diese erste Erholung war auch nötig, hätten wir uns ansonsten doch bereits bei der Abholung unseres Mietwagens wieder etwas geärgert: bei 38 Grad morgens um 06:00 wollte uns der indische Mitarbeiter von Europcar zuerst Versicherungen verkaufen, welche wir bereits bezahlt haben (haben wir bemerkt), hat uns eine Flughafensteuer auferlegt, welche wir bereits bezahlt haben (haben wir erst später bemerkt) und gab uns ein Auto, welches mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits dort einen fast platten Reifen hatte (haben wir leider auch erst später bemerkt). Wir haben uns in Indien schon fast wieder heimisch gefühlt. Äähh bitte was? Indien? Nein, natürlich nicht, auch wenn einem dies aufgrund des extremen Ausländeranteils (knapp 90%, der Grossteil davon aus Pakistan, Indien und Bangladesh) so vorgekommen ist. Spätestens ausserhalb der Tiefgarage ist uns dank modernsten Gebäuden und achtspurigen Autobahnen wieder aufgefallen, dass wir in Dubai sind.

Was uns dann doch etwas erstaunt hat, waren die in Dubai anfallenden Mautgebühren, sowie die zahllosen (funktionsfähigen!!!) Radarfallen, welche jede Strecke bis tief in die hinterste Wüste „schmücken“, von den Einheimischen grösstenteils jedoch trotzdem nicht beachtet werden. Da es in den Emiraten auch keine Vorschriften bezüglich Überholmanövern zu geben scheint und wir unter Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit zu den langsamsten 10% auf der Strasse gehörten, waren wir doch ganz froh, als wir beim Hotel in Abu Dhabi ankamen, insbesondere da wir auch erst vor Ort herausgefunden haben, dass wir auf unserem GPS gar keine Karte der Emirate gespeichert hatten…

Die ganzen Umbau-Strapazen der letzten Monate forderten ihren Tribut und wir haben den ganzen ersten Tag einfach einmal verschlafen. Etwas ausgeruhter stand dann erst einmal die Erkundung der näheren Gegend auf dem Programm, wobei man dazu auch bereits auf ein Fahrzeug angewiesen ist, möchte man um diese Jahreszeit mit bis zu 52 Grad im Schatten nicht langsam im eigenen Saft gegart werden. Im Gegensatz dazu standen die Räumlichkeiten der Marina Mall und des Emirates Palace Hotels, welche auf gefühlt 18 Grad heruntergekühlt werden. War das Shoppingcenter nichts besonderes, hat uns der Prunkbau – welcher ursprünglich ausschliesslich für ein Treffen aller Scheichs des mittleren Ostens gebaut wurde, heute aber als eines der besten Hotels der Welt bekannt ist – sehr beeindruckt, auch wenn wir uns keinen Kaffee mit Blattgold leisten konnten bzw. wollten.

Mindestens genauso prunkvoll, um nicht schon zu sagen „dekadent“, gestaltete sich die Besichtigung der Scheich-Zayid-Moschee am Abend: zu Ehren von Scheich Zayid bin Sultan Al Nahyan – Regent von Abu Dhabi und erster Präsident der Emirate – gebaut, beherbergt sie den grössten handgeknüpften Perserteppich der Welt (5627 Quadratmeter), den grössten Kronleuchter der Welt (15 Meter hoch) und ist mit ihren Baukosten von mehr als 560 Millionen Dollar auch die teuerste je gebaute islamische Gebetsstädte – und mit einem Fassungsvermögen von 40’000 Gläubigen auch eine der grössten. Der Eintritt ist kostenlos, Frauen müssen jedoch einen – ebenfalls kostenlosen – schwarzen Umhang tragen, welcher alles bis auf die Hände und das Gesicht bedeckt. Was im Aussenbereich bei den Temperaturen eine Tortur ist, erwies sich im eisig gekühlten Inneren wieder als Vorteil.

Als Kontrastprogramm gabs dann am nächsten Tag die volle „Touri-Dosis“: der gebuchte Kurztrip in die Wüste vor Abu Dhabi entpuppte sich als rasende Achterbahnfahrt über die Dünen, was auf den vorderen Plätzen des Jeeps ja noch ganz lustig sein mag, in der dritten Reihe aber schier zu einem Kampf gegen die inneren Würgereize verkommt. Das nachfolgende Quadfahren durch die Düne war dagegen sehr unterhaltsam, bis sich die mitfahrende indische Reisegruppe so tief im Sand einbuddelte, dass an ein vernünftiges Vorwärtskommen nicht mehr zu denken war. Zum Abschluss folgte ein arabisches Abendessen inklusive Bauchtanzshow, bevors dann zurück ins Hotel ging. Unser Fazit dazu: definitiv kurzweilig und abwechslungsreich, authentisch eher nein.

Bevor wir am nächsten Morgen losfahren konnten, hatten wir mit Schlagseite unseres Autos zu kämpfen: der Nagel, welcher wahrscheinlich schon länger im Reifen gesteckt hat, hat einen Grossteil der Luft entweichen lassen. Dank sensationeller Intervention des Concierge-Teams war der Wagen jedoch schnell aufgebockt, der platte Reifen entfernt und das Ersatzrad montiert. Und wir hatten noch nicht einmal schmutzige Finger! Das nennen wir aussergewöhnlichen Service.

Die Reparatur des kaputten Pneus musste jedoch warten, hatten wir doch einen Termin mit ganz speziellen Vögeln im Spital. Vögel? Im Spital? Nein, es ist nicht die Hitze, welche uns zu solch seltsamen Aussagen treibt, sondern einmal mehr der Grössenwahn der Emiratis: wir besuchten das grösste und bekannteste Falkenspital der Welt. Die majestätischen Tiere werden seit Jahrhunderten zur Jagd genutzt; früher tatsächlich zur Nahrungsbeschaffung, heute eher um die Konkurrenz zu beeindrucken. Dabei werden hauptsächlich drei Arten von Falken eingesetzt: kleine, extrem schnelle (bis 300 KmH); mittelgrosse, welche das Wappentier Abu Dhabis sind und grosse Exemplare, welche besonders stark sind und das Vierfache ihres Eigengewichts tragen können. Diese sind übrigens auch die mit Abstand teuersten: ein Exemplar kann zwischen 100’000 und einer halben Million kosten. Entsprechend logisch ist, dass für die Viecher nur das Beste gut genug ist: während der heissen Sommerzeit, wenn nicht gejagt wird, werden die lebenden Statussymbole in das – dem Falkenspital angeschlossene – Falkenhotel gebracht, wo die Tiere jeweils mit 19 anderen Artgenossen in ein riesiges, klimatisiertes Gehege kommen, wo sie genug Platz zum fliegen haben und täglich ihre Ration Fleisch erhalten. Laut unserem Guide ist der schwierigste Teil dabei der „Bezug des Hotelzimmers“: Falken sind Einzelgänger und dulden keine Eindringlinge in ihr Revier, d.h. es werden nur andere Vögel toleriert, wenn diese seit eh und je auch dort waren. Darum können alle 20 Mitbewohner nur gleichzeitig in ihre Suite entlassen werden. Jegliche Nachzügler würden unweigerlich ein unrühmliches Ende finden. Neigt sich der Sommer dem Ende zu, werden die Vögel von ihren Besitzern, welche sich das Ganze etwa 2’000 Dollar kosten lassen, abgeholt und zur Jagd mitgenommen. Die Grösse der Beutetiere reicht dabei von Vögeln bis zu ganzen Gazellen für die grösste Falkenart. Aufgrund der intensiven Bejagung der letzten Jahre sind viele Beutetiere fast ausgestorben, weshalb die Emirate diese in grossem Stil selbst züchten und vor der Jagdsaison aussetzen. Ähnliches gilt auch für die Falken selbst: früher wurden diese während ihrer Überwinterung in der Region eingefangen – den Sommer verbringen wilde Falken eher in bergigen Regionen wie bspw. Pakistan – heute ist diese Praxis strengstens verboten und man darf nur noch gezüchtete Falken mit individuellem Pass haben. Der grösste Teil kommt dabei übrigens aus Deutschland oder Österreich. Sollte das teure „Armtier“ (für ein „Schosstier“ sind die Krallen einfach zu scharf) einmal einen Unfall haben, wird es flugs ins Spital gefahren, wo kleine (z.B. Krallen kürzen) und grosse Operationen (z.B. grosse Anzahl an Federn ersetzen) mittels modernsten Methoden, Anästhesie mit Lachgas inklusive, vollzogen werden. Leider muss man auch als teures Statussymbol manchmal warten, bis einen der Arzt untersucht. Dazu gibt es dann ein Wartezimmer mit Sitzgelegenheit. Und damit nicht allgemeine Massenpanik aufgrund von territorialen Ansprüchen oder Neid aufgrund des schöneren Gefieders des „Sitznachbarn“ entsteht, erhält jeder Patient eine Kappe aus Leder, so dass er oder sie nichts sehen kann.

Auch nicht ganz alltäglich war unser nächstes Erlebnis: Fahrradfahren, aber nicht irgendwo, sondern auf dem legendären YAS Marina Circuit. Keine Ahnung was das ist? Nun, wir als Motorsportbanausen hatten dies vorher auch nicht. Das ist die Formel-1-Strecke von Abu Dhabi. Aber da wo einmal im Jahr die hochgezüchteten Autos klingender Marken mit bis zu 250 kmH vorbeidonnern, kann man jeden Dienstagabend Fahrrad fahren. Kostenlos und mit gratis Getränken. Das Ganze bleibt uns nicht nur wegen der Location im Gedächtnis, sondern auch, weil man auf dem speziellen Belag wirklich unglaublich schnell unterwegs ist: wir konnten die ganze Zeit über ohne besonders grosse Anstrengung ein Tempo von 25 KmH aufrecht erhalten. Und wir hatten weder E-Bike noch Rückenwind 😉

Von der Hitze (es hatte um 21:00 immer noch 41 Grad) in den klimatisierten Wagen und auf ins Hotel…das war zumindest der Plan. Und dann fiel uns wieder ein, dass wir ja schon viel zu lange mit dem Ersatzreifen herumfahren. Weil per Zufall die „Mechanikerstadt“ (grosser Vorort von Abu Dhabi, welcher tatsächlich nur aus hunderten von Autowerkstädten zu bestehen scheint) auf unserem Heimweg lag, haben wir noch kurz in einer der Garagen vorbeigeschaut und unseren Pneu reparieren, pumpen und wieder montieren lassen. „Indian Style“, ganz einfach und schnell und für umgerechnet 5 Franken 🙂

Weil wir natürlich von der arabischen Wüste nicht nur den massentouristischen Teil sehen wollten, haben wir noch einen Ganztagestrip in das Grenzgebiet zu Saudiarabien unternommen. Die „Rub al-Chali“ ist in dieser Gegend am schönsten und zeigt ihre volle rote Farbenpracht mit unendlichen und wunderschönen Dünen. Darunter befindet sich die angeblich auch „grösste Düne der Welt“, welche ca. 300 Meter hoch sein soll, deren Betreten aber strengstens verboten ist, weil sie lediglich einmal im Jahr zu „Rennzwecken“ genutzt werden darf. Nicht verständlich?! Nun ja: da den vermögenden, anscheinend stets gelangweilten Herrschaften auch Kamelrennen, Formel-1 und Falkenjagd nicht mehr genug sind, wurde kurzerhand ein neuer Wettbewerb geschaffen: „rase die höchste Düne der Welt in einem beliebigen Fahrzeug so schnell hoch und wieder runter, wie du kannst“. Kein Witz.

Abgesehen von den Dünen haben wir die „Gewächs- bzw. wohl eher Kühlhäuser“ der Emirati besucht, in welchen das lokale Gemüse angebaut wird und wir haben viele spannende Details zum Alltag der Emiratis von unserem (indischen) Guide erhalten: wer hier etwas auf sich hält hat nicht nur einen Falken, fährt „spezielle“ Rennen, einen teuren Wagen und besitzt das neuste Smartphone, nein… Um bei der lokalen Damenwelt Eindruck zu schinden, gibt man sechsstellige Beträge für eine leicht einprägsame Handynummer aus. Da Dating in dem konservativen Land grundsätzlich verboten ist, muss man aber mittels sehr unkonventionellem Weg darauf aufmerksam machen: man geht in ein Shoppingcenter, hält Ausschau nach der Herzensdame, schlendert dann gelassen an ihr vorbei und während man so tut, als würde man telefonieren, raunt man ihr die Nummer zu. Ist die Nummer (oder der Besitzer) sexy genug, ruft sie evtl. an… Ein weiteres Müsterchen der einheimischen Gepflogenheiten gefällig: Radarfallen gibt es wie Sand in der Wüste (auch Mitten in der Wüste). Die Bussen sind auch nicht ganz ohne, sollen aber nicht den Staat bereichern (der hat ja schon genug Geld), sondern lediglich die Verkehrssicherheit erhöhen. Deshalb gab es bis vor kurzem 50% Rabatt auf alle Bussen. Weil sich die Unfälle mit hohen Geschwindigkeiten zu häufen begannen, wurde dieser jedoch vor kurzem gestrichen, so dass der „persönliche Live-Bussen-Ticker“ (eine Smartphone-App) nun schnell wieder in den fünfstelligen Bereich übergeht (eine monatliche Bussensumme von etwa CHF 2’000 gilt hier als ganz normal).

Wir glauben zumindest, dass wir auf der Rückfahrt nach Dubai am nächsten Tag bei keiner einzigen der 79 Radarfallen (auf einer Strecke von 120 Km) eine Busse eingefahren haben, wissen werden wir es jedoch erst, wenn die Kreditkartenrechnung der Mietwagenfirma kommt. Obwohl bussenfrei, ist Dubai für uns aber schon merklich teurer gewesen: es ist offensichtlich, dass dieses Emirat kein Öl mehr hat und Geld mit allen Mitteln von anderen Quellen beschafft werden muss: so wird hier eine Maut für die Benutzung der Autobahn fällig, für die Benutzung des Strandes werden von Nicht-Hotelgästen CHF 75.- Eintrittsgebühr kassiert und auch als konsumierender Gast in einer hochgelegenen Bar wird man bei der Ausfahrt aus der Tiefgarage vom Portier noch einmal gefragt, ob man wirklich bezahlt hat. Dafür gibt es Ausblicke auf die ikonischsten arabischen Bauwerke der Moderne, wie etwa die künstlich aufgeschüttete Palme vor Dubai oder den Burj al Arab, man kann gigantische Shoppingmalls mit faszinierendem Multi-Kulti-Besucherstrom besuchen, wo die Scheichs in gemütlichen Kaffees auf die Rückkehr ihres shoppenden Harems warten, oder man lässt sich mit High-Speed-Lift in das 125te Stockwerk des höchsten Gebäudes der Welt katapultieren und geniesst den Ausblick auf die Stadt. Allerdings müssen wir anfügen, dass die Aussichtsplattform des World Trade Centers in Shanghai wesentlich eindrucksvoller und günstiger war.

Am Abend bietet Dubai dann das volle westliche Ausgangsprogramm, allerdings mit einem Haken für die Einheimischen: in Lokalitäten, welche Alkohol ausschenken, ist keine lokale Kleidung gestattet. Dies dient angeblich der Verhinderung der Vermischung von Islam und Alkoholkonsum, steht aber in krassem Kontrast zu Abu Dhabi, wo die reiche Elite in traditionellem Gewand und Sandalen mit dem Ferrari vorfuhr, um sich in der Bar dann von extrem knapp bekleideten einheimischen Frauen bezirzen zu lassen.

Unser Fazit: die VAE sind extrem vielfältig und faszinierend, aber auch widersprüchlich und nicht immer nachvollziehbar.

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