Flittern auf dem Kilimanjaro by Nicola: Bestiegen und getrunken

„Wo genau wollt ihr hin?“, „wo liegt das?“ oder „ihr seid ja wieder einmal verrückt!“ waren Sätze, welche wir vor der Abreise in unsere Flitterwochen regelmässig zu hören bekommen haben, wenn uns Bekannte nach unserem Reiseziel gefragt haben: Tansania. Und zwar nicht irgendwo nach Tansania, sondern zuerst auf den höchsten Berg Afrikas aka der höchste freistehende Berg der Welt: auf den Kilimanjaro.

Und so sind wir zwei Tage nach unserer tollen Hochzeit in Zürich in den Flieger nach Nairobi gestiegen, wo wir auf ein Kleinflugzeug umsteigen mussten. Dies wäre nun nicht weiter erwähnenswert, wenn nicht schon dieser Umstieg ziemlich speziell ist: erstens muss man ein Visum kaufen, um umzusteigen (wir wollten ja gar nicht einreisen), zweitens ist es ratsam, einen Flughafenangestellten zu „bezahlen“, damit man von den zahlreichen Kontrollen und Menschenschlangen unbehelligt bleibt und drittens wird der Flug überpünktlich ausgerufen, beim Boarding die Leute wie Vieh regelrecht angetrieben und wenn man dann einmal im Flieger sitzt, muss man trotzdem noch 45 Minuten im Flugzeug warten, dass ein paar Nasen mit Verspätung nachkommen.

Entsprechend waren wir trotz unserer Reiseroutine sehr froh, als wir kurz vor Mitternacht auf dem „Kilimanjaro International Airport“ im hohen Norden Tansanias gelandet sind und von unserem Reiseveranstalter höchstpersönlich UND pünktlich abgeholt wurden. Aufgrund von unseren früheren Erfahrungen in anderen Entwicklungsländern waren wir davon doch sehr positiv überrascht. Die rund einstündige Taxifahrt zu unserem Hotel verlief dann völlig unaufgeregt – ja schon fast eintönig – weil alles dunkel und weit und breit keine Menschenseele zu sehen war und dies obwohl die Grossregion um Arusha und Moshi als die drittstärkst besiedelte des ganzen Landes gilt! Dieser Eindruck sollte sich in den nächsten Tagen noch verstärken, weil die Städte zwar durchaus quirlig und etwas chaotisch, im Vergleich zu ihren asiatischen oder indischen Pendants aber schon fast als „kleinstädtisch“ zu bezeichnen sind, so dass es nicht zu einem Kulturschock kommt.

Etwas weniger positiv empfanden wir unser erstes Zimmer im Hotel: so manches kleines und günstiges Hostel auf unserer Weltreise hat dieses in punkto Grösse, Ausstattung und Sauberkeit um Längen übertroffen. Wir waren aber einfach zu müde, um uns noch in derselben Nacht zu beschweren. Als wir dies dann jedoch am nächsten Morgen nachholten und um ein anderes Zimmer baten, gestaltete sich der Wechsel ganz unkompliziert. Dies ist übrigens auch unser Gesamteindruck von der ostafrikanischen (Service-)Kultur: die Menschen sind immer sehr freundlich, hilfsbereit und eine Lösung wird immer gefunden. Der Knackpunkt liegt eher in der Geschwindigkeit der Problemlösung bzw. Effizienz und der Auffassungsgabe gegenüber „komischen westlichen Vorstellungen“ (z.B. im All-Inklusive-Hotel wollten wir Pizza essen, wir wussten aber, dass wir zu zweit nur eine möchten, da unser Hunger nicht allzu gross war. Da wir bezüglich Belag nicht denselben Geschmack haben und es nicht möglich war, die Hälften der Pizza unterschiedlich zu belegen, haben wir eine Pizza bestellt, welche alle Zutaten hatte. Wir haben dann jeweils diejenigen Dinge, welche wir nicht mochten, weggenommen und auf den Teller des anderen geschoben; dieses Vorgehen rief beim Personal das Gefühl hervor, dass wir die Pizza nicht mögen, dabei wollten wir einfach nichts wegwerfen! Nach der afrikanischen Logik hätten wir zwei Pizzen bestellt und den Rest weggeworfen): die beiden Mottos der Einheimischen sind „Hakuna Matata“ (= kein Problem) und „Pole, Pole“ (= immer schön gemütlich).

Nach zwei Nächten in Moshi, einem umfassenden Briefing durch den Reiseveranstalter und dem letzten Check unserer Ausrüstung ging es dann aber endlich los: wir wurden in Moshi (ca. 800m ü.M.) abgeholt und zum Dorf „Marangu“ an den unteren Ausläufern des Kilimanjaro gefahren (1840m ü.M.). Dort registriert man sich bei der Nationalparkleitung und wartet auf seine Lizenzen. Ausserdem wird das mitgebrachte Gepäck gewogen und auf eine angemessene Anzahl an Trägern verteilt (wir hatten das Gefühl, dass dabei etwas getrickst und uns zwei Personen mehr „untergejubelt“ wurden). Abschliessend werden einem die Guides (pro Person einer), der Koch und der „Kellner“ (besserer Träger, welcher auch serviert) vorgestellt. Die „unwichtigeren“ Personen, d.h. die Träger (bei uns sechs Stück), bleiben namentlich unerwähnt, wenn man nicht explizit auf einer Vorstellung beharrt.

Die Etappe des ersten Tages bis zur „Mandara Hütte“ auf 2720m ü.M. ist ca. 6 km lang und nimmt gute drei Stunden in Anspruch. Entsprechend steil ist der Weg durch den Regen- & Nebelwald manchmal, ansonsten ist er aber völlig unproblematisch und von zahlreichen exotischen Pflanzen gesäumt. Wenn man Glück hat, sieht man hier auch verschiedene Typen an Affen.

In der Hütte angekommen, wird man in das tägliche „Prozedere“ eingeführt: bei Ankunft wird einem vom „Butler“ die Dusche aufs Zimmer gebracht, will heissen eine Schale mit warmem Wasser und Seife. Nachdem man sich dann frischgemacht und die eine edle Kopfbedeckung (Sonnenhut) gegen die andere (Wollmütze) ausgewechselt und sein Himmelbett (Schlafsack und Isomatte) gerichtet hat, wird man in den Kronsaal (Gemeinschaftshütte) geleitet, wo ein wunderbares Amuse-Bouche (Popcorn mit heissem Tee) gereicht und anschliessend vom Chefdiener des Hofstaates das mehrgängige Bankett (Suppe zur Vorspeise, Fisch oder Fleisch mit Reis oder Kartoffeln als Hauptgang und Früchte zur Nachspeise) aufgetragen wird. Das Essen ist dabei erstaunlich frisch und gut und spricht für die exzellenten Köche. Übrigens wird man auch morgens durch den „Kellner“ geweckt und auf Wunsch mit Kaffee, Tee und Waschwasser versorgt. Weil im Hofstaat leider kein Leibarzt dabei ist, wird vom Guide jeden Abend auch Sauerstoffsättigungsgehalt und Puls gemessen, damit die Besteigung im Falle von gesundheitlichen Problemen frühzeitig abgebrochen werden kann.

Beim ersten Abendessen haben wir auch diejenigen Personen kennengelernt, welche gleichzeitig mit uns losgezogen sind und welche wir die nächsten Tage immer wieder sehen sollten. Da wir das Glück hatten, an einem eher ruhigen Tag zu beginnen (zu Spitzenzeiten sind 100 Touristen gleichzeitig mit ihrem Hofstaat unterwegs), konnten wir einen guten Kontakt zu allen aufbauen und hatten sogar mehrmals das Glück, eine ganze Hütte für uns alleine zu haben.

Tag 2 führte uns 12 km durch eine Moorlandschaft, von 2720m ü.M. auf 3770m ü.M. Da der Weg sehr breit und einfach ist, kommt man nach knapp sechs Stunden Wanderung bei der Horombo-Hütte an, von welcher man zum ersten Mal den Gipfel des Kili aus weiter Ferne sieht. Da sich auch der Nebel endlich lichtet, sollte man trotz sinkender Temperaturen unbedingt auf genügend starken Sonnenschutz achten. Nur so kann man verhindern, als halbseitig durchgebratener Hummer anzukommen…

Weil die Horombo-Hütte nicht nur Schlafplatz von „Aufsteigern“ ist, sondern auch den Absteigenden als letzte Unterkunft dient und darüber hinaus noch einen Campingplatz für eine andere Route beherbergt, ist es hier mit der Ruhe definitiv vorbei. Nur dem eisig kalten Wasser ist es zu verdanken, dass man trotzdem in der Dusche (ja, wirklich; die gibt es hier!) alleine ist. Die Hütten sind hier wesentlich grösser und auf mehr Gäste ausgerichtet. Unsere beiden „Mitbewohnerinnen“ aus Österreich kannten wir bereits vom Vorabend. Die Mädels waren sehr locker und sympathisch, was aber evtl. u.a. auch den „Drogen“ (Medikamente gegen die Höhenkrankheit) zu verdanken war, welche fleissig eingeworfen wurden. Wir hatten immer grossen Spass und die beiden sind uns bis zum Ende auch jede Nacht erhalten geblieben.

Der dritte Tag ist der Erholung und Akklimatisierung gewidmet: man übernachtet ein zweites Mal in der Horombo-Hütte und unternimmt tagsüber nur eine Kurzwanderung zu den 400 Metern höher gelegenen „Zebra Rocks“, einer schwarz-weiss gestreiften Felsformation, von welcher man zum aller ersten Mal den gesamten restlichen „Weg“ bis zum Gipfel sehen kann. Oh Schreck, da kommt ja noch ordentlich etwas auf uns zu!

Die ersten knapp 1000 Höhenmeter davon (3770 – 4720) nimmt man am nächsten Tag in Angriff: der (gute und sehr breite) Weg führt einen 9 km lang durch eine alpine Wüste, d.h. Sand und Fels soweit das Auge reicht. Hier ist es trockener und windiger als in der Sahara und das atmen fällt immer schwerer. Die ersten Leute beginnen auch über Kopfschmerzen zu klagen. Weil es hier auch keinerlei Wasservorkommen mehr gibt, muss der gesamte restliche Bedarf von den Trägern hochtransportiert werden. Kurz nach der Ankunft am späteren Nachmittag wird das übliche Nachtessen serviert und die Lichter gelöscht, damit man pünktlich um 23:00 wieder aufsteht.

Leider dauerte der Schlaf für uns nicht ganz solange, was wohl aber auch den Geräuschen zu verdanken ist, welche eine „unserer“ Österreicherinnen bei der panischen Suche nach Medikamenten (alles, was noch nicht geschluckt wurde, wurde jetzt eingeworfen) verursachte. Nach Tee, Keksen und dem sorgfältigen „mumifizieren“ der Teilnehmer (Jenny trug 2 Paar Socken + Wärmepads; 3 Paar Hosen; 8 Oberteile und 2 Paar Handschuhe + Wärmepads) startete um Mitternacht der Gipfelsturm. Die ersten knapp 1000 Höhenmeter zum Gilman’s Point (5681m ü.M.) sind hardcore und nahmen bei uns fünf Stunden in Anspruch: zuerst geht es „nur“ steil bergauf (und mit steil meinen wir richtig steil!), dann setzt sich das Ganze in einem Geröllfeld aus Vulkanasche fort (steil UND man sinkt ein) und am Ende folgt eine längere Klettereinlage über grosse Brocken an Vulkangestein. Nichtsdestotrotz haben wir (leider) noch eineinhalb Stunden vor Sonnenaufgang den Punkt erreicht, bei welchem der Kili als bestiegen gilt. Weil wir unsere Extremitäten aufgrund der Kälte (ca. -20 Grad) und des extremen Windes bereits nicht mehr spüren konnten (auch zwei Wochen nach der Besteigung ist in einigen Fingerkuppen das Gefühl noch nicht 100%ig zurückgekehrt) und der Sonnenaufgang erst für 06:30 angesagt war, haben wir sofort die restlichen Kilometer auf dem Kraterrand entlang der drei Gletscher in Richtung Uhuru-Peak in Angriff genommen. Und dann der grosse Moment: um 06:40 stehen wir auf dem höchsten Punkt Afrikas bzw. auf dem Gipfel des höchsten freistehenden Berges der Welt (5895m ü.M.)! Der Ausblick auf die Gletscher, den Krater und bis hinunter in die Savannen von Kenia und Tansania ist gewaltig und entschädigt für alle Mühen! Trotzdem fällt die Entscheidung schnell, nach einigen Fotos und dem Anbringen unseres „Hochzeitsschlosses“ auf dem Peak den Abstieg sofort wieder in Angriff zu nehmen. Auf dem Weg hinunter begegnen uns auch viele Menschen, welche es nur gestützt von ihren Guides schaffen oder vorher entkräftet aufgeben, ganz zu schweigen von all den Kotz**den am Wegesrand…

Erst einmal zur Kibo-Hütte zurück abgestiegen treffen wir auf die anderen. Mit einer Quote von fast 100% Gipfelerreichung ist unsere kleine Truppe überdurchschnittlich erfolgreich gewesen. Allerdings fordert die Anstrengung speziell bei denjenigen, welche ihren Körper mit Medikamenten ruhiggestellt haben, ihren Preis. Deshalb gibt es auch nur eine kurze Verschnaufpause bevor es für die Übernachtung zurück zur Horombo-Hütte geht.

Nach einer Nacht im Tiefschlaf folgt vor dem Abstieg am nächsten Morgen noch die übliche Trinkgeldzeremonie: da das Personal des Kili-Trekkings oft sehr schlecht bezahlt ist (Träger erhalten i.d.R. gar keinen Lohn), ist es überlebenswichtig, rund 20% der Besteigungskosten zusätzlich in Form von Trinkgeldern zu verteilen (USD 130 für den Guide, je USD 70 für Assistant Guide und Koch, USD 55 für den Kellner und je USD 45 für die Träger). Die Leute danken es einem mit einem traditionellen Tänzchen, bevor der Abstieg zum Ausgang in Angriff genommen wird.

Nach den letzten 19km und der Autofahrt zurück nach Moshi wurde uns im Rahmen einer kleinen Feier („Kilimanjaro-Bier“ für die beiden Guides, den Koch und uns; damit gilt der Kili als bestiegen UND getrunken) ein Besteigungszertifikat, sowie eine Packung speziellen Kaffees (gibt es nur für die Erreichung des Uhuru-Peak) überreicht.

Der Berg war besiegt, unsere Füsse und Glieder zerstört, die Finger abgefroren und die Kleidung aus der Gipfelnacht von der Vulkanasche so schmutzig, dass das Waschen einen ganzen Tag in Anspruch nahm, aber wir haben es geschafft und geblieben sind unvergessliche Erinnerungen, tolle Fotos und ein gewisser Stolz auf die erbrachte Leistung.

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