Patagonien by Nicola: Kalt kann auch schön sein

Wie so viele unserer geschätzten Leser in der Heimat, zog es auch uns im letzten Monat gen Süden. Im Gegensatz zu euch war unsere Motivation aber eher gegenteiliger Natur: wir wollten vom wärmeren Norden in den kälteren Süden. Verkehrte Welt? Keineswegs, denn wir wollten von der Welthauptstadt des Rindssteak zu einer der südlichsten Städte der Welt nach Patagonien reisen. Der von mir gewählte Titel ist also keineswegs in Anspielung auf Europa zu verstehen Smiley

Damit wir uns eine anstrengende, knapp 40 Stunden lange Busfahrt ersparen konnten, sind wir von Buenos Aires zuerst nach Rio Gallegos geflogen, dort in den Bus gestiegen und haben so schliesslich die argentinisch – chilenische Grenze überquert. Lief alles völlig problemlos…haben aber ja auch nichts anderes erwartet, nachdem Nicola doch noch kurzfristig davon überzeugt werden konnte, keine leckeren Steaks nach Chile einzuschmuggeln. Bei den strikten Lebensmittelkontrollen am Zoll wäre das sicherlich auch schief gegangen…

In Punta Arenas angekommen, bestätigte sich – zumindest für uns als Weltreisende, welche bisher nur in wärmeren Gefilden unterwegs waren – das erst Patagonien-Klischee: es ist verdammt kalt hier! Wir sprechen zwar von immer noch 5 Grad PLUS, aber nichtsdestotrotz: es ist kalt! Wahrscheinlich dachten das auch die Bankomaten der lokalen Banken, denn trotz genügend Mitteln auf dem Konto gab es erst einmal nichts. Unser Taxifahrer, welcher uns von Geldinstitut zu Geldinstitut gefahren hat, fand das Ganze zwar komischerweise lustig, ob er aber immer noch so locker drauf gewesen wäre, wenn wir auch am Ende keine Pesos gehabt hätten, lässt sich (glücklicherweise) nicht feststellen, da Bankomat Nummer fünf Mitleid mit uns hatte und den gewünschten Betrag anstandslos herausspuckte.

Punta Arenas selbst ist ein ganz cooles Städtchen und dies nicht nur in Bezug auf die Temperaturen: ein kleines, idyllisches Örtchen mit Häusern aus Holz und freundlichen aber eher zurückhaltenden Menschen und die beste heisse Schokolade der Welt. Und natürlich bietet die Stadt auch eine Sehenswürdigkeit, für die es sich lohnt, eine Reise an den Hintern unseres Globus zu machen: die Isla Magdalena, Sommerresidenz (ja, es ist momentan Sommer hier unten!) von angeblich 120’000 Magellan-Pinguinen. Ob es tatsächlich auch so viele waren oder ob wir um einen Teil unseres Eintrittsgeldes betrogen worden sind, wissen wir nicht. Aber es waren auf jeden Fall sehr, sehr viele Pinguine. Das Ganze schaut man sich im Rahmen einer geführten Bootstour an, welche aufgrund von starkem Wellengang in der Magellan-Strasse aber nur bei schönem Wetter stattfinden kann. Hat man – so wie wir – Glück mit dem Wetter, wird man für eine Stunde auf der Insel abgeladen und kann dort entlang von abgesperrten Gehwegen über die Insel flanieren und die Pinguine beobachten, welche rundherum ihre Nester haben. Einige wagemutige Exemplare getrauen sich sogar in die Nähe der Menschen und geben so noch viel bessere Fotomotive ab. Allerdings war keiner mutig genug, um sich “dem grossen Nicola” entgegenzustellen Smiley Wahrscheinlich sehe ich, eingepackt in warme Kleidung und Mütze (beides hier dringend nötig), aus Sicht eines Pinguins nach watschelndem Killerwal aus…

Nach nur zwei Tagen sind wir dann aber schon wieder in Richtung Norden aufgebrochen. Zwar immer noch in Patagonien aber doch schon etwas wärmer, ist auch Puerto Natales ein quirliges Örtchen mit Charme. Und obwohl hier unsere Unterkunft im Gegensatz zu Punta Arenas sogar Heizung hatte und gar gemütlich war, diente sie uns doch nur als Ausgangspunkt für den wahrscheinlich letzten grösseren Trek unserer Weltreise: das grosse “W” im Torres del Paine – Nationalpark, so genannt wegen der Form des empfohlenen Wanderwegs, wenn man ihn auf einer Landkarte betrachtet. Und so haben wir in Puerto Natales in erster Linie eingekauft, Camping-Utensilien organisiert (da am 31. März hier Saisonende und dieses Jahr gleichzeitig dummerweise auch noch Ostern ist, waren alle Unterkünfte entlang der Route entweder ausgebucht oder bereits geschlossen) und Informationen eingeholt.

Die viertägige Wanderung selbst war dank der guten Vorbereitung und dem unwahrscheinlichen Wetterglück, welches wir hatten – in vier Tagen gab es keinen Tropfen Regen! – zwar anstrengend (die Wege verlaufen eigentlich nie eben, weshalb man während den gesamten gut 50 Kilometern immer hoch und wieder runter marschiert, plus hatten wir die Campingausrüstung im Rucksack) aber auch schön, wobei uns – neben den abwechslungsreichen Wegen selbst, welche über zahllose Flüsse und halsbrecherische Brücken führen – insbesondere die Torres selbst (sehr markante und frei stehende “Felstürme”, welche bis auf 2’500 Meter aufragen), sowie der “Glaciar Grey” gefallen haben. Letzterer ist ein gewaltiger Gletscher, dessen Abbruchstelle in einem grösseren See liegt, wodurch man mit einer Bootstour ganz nahe heranfahren und die beeindruckenden blauen Eismassen (sind blau, weil der Sauerstoff im Eis über die Jahrhunderte komplett herausgepresst wurde) aus nächster Nähe bewundern kann. Für das besondere Erlebnis sorgt dabei zusätzlich die Schiffscrew, welche einem im richtigen Moment einen Pisco Sour mit herausgebrochenem Eis serviert (chilenischer Longdrink, bestehend aus Pisco – einem chilenischen Schnaps –, Limettensaft, Eiweiss und Zucker). Da insbesondere der mittlere Abschnitt des “W” Schweizer Bergtälern sehr stark ähnelt, haben wir dort die Strecke etwas abgekürzt und somit wohl eher das grosse “U” gewandert Smiley Leider ist die gesamte Wanderung mittlerweile ziemlich touristisch, weshalb man den Park nicht in der Höchstsaison besuchen sollte. Gehört man nicht zu der – hier teilweise anzutreffenden – Gattung der “Wandermaschinen”, kann sich keine Träger leisten (soll es wirklich geben) und hat keine Unterkünfte mehr buchen können, empfiehlt es sich ausserdem, neben einem Zelt auch warme Schlafsäcke mitzunehmen, weil die Nächte teilweise empfindlich kalt werden können. Uns haben hierbei sog. “Notfalldecken” aus Silberfolie gute Dienste geleistet: leicht zu transportieren, geben sie doch warm.

Da – wie bereits erwähnt – Patagonien für uns als Schweizer zwar schön ist, langfristig aber nicht allzu viel zu bieten hat, besteht das letzte Kapitel in diesem Teil Südamerikas aus einer dreitägigen “Kreuzfahrt” auf einem Frachtschiff, dessen findige Besitzer es teilweise für den Transport von Touristen umgebaut haben. Die Fahrt, welche einen von Puerto Natales ins 1’500 Kilometer entfernte Puerto Montt bringt, führt dabei durch beeindruckende Fjorde und ein kleines Stückchen offenen Pazifiks, wobei ersteres für Staunen, letzteres eher für Stunden auf der Toilette sorgt Smiley Da wir Glück hatten und wegen Überbuchung in eine bessere Kabinenkategorie upgegradte wurden, in welcher es ein Fenster und eine eigene Toilette gab, war beides für uns kein Problem. Ausserdem kamen wir am ersten Tag in den Genuss einer Walsichtung (Pottwal), was nicht unbedingt selbstverständlich ist. Da das Tierchen jedoch “leider” nur alle paar Minuten fürs Luftholen einmal auftauchen muss, gibts leider keine Fotos.

Weil wir uns erhofft hatten, weitere Gletscher oder zumindest ein paar abgebrochene Eisberge aus nächster Nähe zu sehen, was zu gewissen Jahreszeiten angeblich möglich sein soll, sind wir vom Panorama trotzdem etwas enttäuscht. Da spenden die zahlreichen Bekanntschaften, welche man an Bord macht, so wie der gut mundende Pisco Sour des Barkeepers doch gleich Trost. Prost!

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