Island by Nicola: Feuer, Eis und jede Menge Gemütlichkeit

Die „ewigen Südtypen“ ziehen gen Norden… Jedoch nur kurzfristig: nach unserer erfolglosen „Nordlichtjagd“ vor einigen Jahren in Finnland, haben wir einen neuen Anlauf gewagt und sind in den hohen Norden zu den Nachfahren der Wikinger geflogen, ins Land zahlreicher Filmaufnahmen in spektakulärer Landschaften…nach Island.

Weil der einzige Direktflug aus der Schweiz (mit easyJet ab Basel) in aller Herrgottsfrühe geht, waren wir bei der (immer noch sehr frühen) Landung auf dem Flughafen Keflavik wohl so übermüdet, dass wir zwar sehr wohl realisierten, wie die Isländer im Duty-Free Alkoholvorräte für gefühlt mehrere Jahre horteten, uns aber trotzdem nicht viel dabei dachten. Wir waren einfach froh, dass uns ein Vertreter der Autovermietung abholt und wir unseren geländegängigen Mietwagen mit Spike-Bereifung und inklusive „Vulkan-Asche-Versicherung (weniger wegen möglicher Vulkanausbrüche als vielmehr wegen heftigen Orkanböen, welche mittels des Vulkangerölls jedes Auto innert Minuten „blank schleifen“) rasch in Empfang nehmen und dabei mit Mühe und Not unser Gleichgewicht auf den völlig vereisten Strassen und Gehsteigen halten konnten (deshalb auch die Spikes). Auch die enorme Gemütlichkeit und Stressfreiheit der Isländer haben wir wegen der Müdigkeit lediglich am Rand registriert.

Im gemieteten Apartment in Reykjavik angekommen, ist uns bei der ersten Erkundung der Hauptstadt (mit 200’000 Einwohner lebt hier etwa 2/3 der gesamten Bevölkerung Islands) jedoch einiges aufgefallen:

· An einem Herzinfarkt stirbt in Island definitiv niemand: die Öffnungszeiten selbst der grossen Läden sind maximal von 10:00 – 20:00 (die Regel ist eher 11:00 – 16:00), im Restaurant wird alles immer der Reihe nach erledigt (wenn wir z.B. bei unserer Bestellung Kaffee gewünscht haben und bereits sassen, wurde zuerst ohne Hektik der Kaffee serviert und erst dann der nächste Kunde begrüsst, auch wenn eine riesige Schlange gewartet hat) und auf der Autobahn gilt Tempo 90

· Island funktioniert nach einer „Selbstbedienungskultur“: Minibar im Zimmer oder Room-Service? Fehlanzeige. Bedienung im Restaurant am Tisch? Mit Ausnahme von Abendessen in sehr teuren Restaurants ein Unding (nicht einmal einkassiert wird am Tisch, sondern man bezahlt beim Gehen an der Bar). Eine kleine Schale Nüsschen zum Drink an der Bar? Holt man sich in kleinen Gläsern an der Bar. Selbst das (kostenlose) Wasser zum Essen holt man sich oft selbst am Wasserhahn. Wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, ist das ganz ok.

· Das isländische Essen ist erwartungsgemäss sehr proteinhaltig: Lammfleisch, Fisch und Innereien stehen fast überall auf der Speisekarte, zum Frühstück meist begleitet von einem ordentlichen Schluck Lebertran (heute nicht mehr aus Walfischen gewonnen). Vegetarier haben ausserhalb von Reykjavik einen harten Stand, als richtiger Veganer würde man wahrscheinlich bald an Hungertod sterben.

· Die Preise sind enorm: egal ob im Supermarkt, Hotel oder beim Tanken: günstig ist hier nichts und insbesondere wenn es um Alkohol jeglicher Art geht, überlegt man sich selbst als Schweizer, ob ein Glas Wein die Investition wert ist. Andererseits gilt es auch zu erwähnen, dass das Qualitätsniveau der angebotenen Waren und Speisen im ganzen Land sehr hoch ist.

· Apropos Alkohol: abgesehen von lizenzierten Gastronomiebetrieben (Bars, Hotels, Restaurants) darf Alkohol mit mehr als vier Volumenprozenten nur im „Vinbudin“ verkauft werden. Und obwohl diese staatlich kontrollierten Läden mit Preisen aufwarten, die im Schnitt über dem dreifachen der Schweiz liegen, wird punkt 11:00 zu Ladenöffnung die Budin gestürmt. Böse Zungen würden nun behaupten, dass Steuern zur Suchtprävention wohl nur bedingt taugen…

· „Das Einzige, was auf Island gratis ist, ist das Wasser“. Diesen Kommentar hörten wir an einem der ersten Tage von einer – morgens um 10 bereits nicht mehr ganz nüchternen – isländischen Dame. Und das stimmt: in jedem Lokal gibt es kostenlos einen Krug des exzellenten isländischen Leitungswassers – auch wenn man nichts (!!!) konsumiert. In Hotels wird dieses Angebot sehr oft noch durch kostenlosen Kaffee und Tee ergänzt.

· Und um beim Wasser zu bleiben: im Gegensatz zum kalten Leitungswasser, verbreitet die warme Variante einen extrem abstossenden Gestank nach faulen Eiern. Und zwar immer… Grund dafür ist die intensive Nutzung von Geothermie: 60% der gesamten Primärenergie im Land und 90% des Heiswassers und der Heizenergie werden quasi kostenlos von der Natur zur Verfügung gestellt. Mittels fünf grosser Kraftwerke wird pro Kopf mehr Energie produziert, als irgendwo sonst auf der Welt. Entsprechend sind in Island auch einige stark energieintensive Branchen – wie die Aluminiumverarbeitung – angesiedelt und man geht mit dem heissen Wasser schon fast verschwenderisch um; weil die 60-90 Grad für den direkten Gebrauch im Haushalt zu heiss sind und man nicht das reine Trinkwasser zum Mischen verwenden möchte, wird speziell in Grossstädten das Wasser so lange unmittelbar unter den Strassen hin und hergeleitet, bis es genug kalt ist. Nebeneffekt im Winter: beheizte und damit eisfreie Strassen und Gehsteige. Einer der wenigen Nachteile des sehr günstigen Heisswassers: viele Isländer, welche wir getroffen haben, verbreiten insbesondere am Ende des Tages einen etwas strengen Geruch oder scheinen geradezu in Parfüm gebadet zu haben, um eben genau diesen zu übertönen. Dies liegt jedoch definitiv nicht daran, dass sie nicht geduscht hätten, sondern genau am Gegenteil: ein Deo muss extrem stark sein, um die mit Schwefel gewaschene Haut einen ganzen Tag lang geruchsfrei zu halten.

· Wir waren noch nie in einem Land mit derart stark gelebter Gleichberechtigung. Dies betrifft nicht nur das Verhältnis zwischen den Geschlechtern – es arbeiten mindestens so viele Frauen, wie Männer; auch in Managementpositionen sind sie gut vertreten – sondern auch die Aufgabenteilung innerhalb der Branchen: im durchschnittlichen – eher kleinen – isländischen Hotel arbeiten die 4-6 Angestellten alle im Rotationsprinzip im Service, an der Rezeption, in der Zimmerreinigung oder der Küche.

· Religion ist in Island ein interessantes Thema: wir schlossen aufgrund von Beobachtungen der Infrastruktur, dass Religion wohl einen grossen Stellenwert hat: egal ob in Reykjavik oder im durchschnittlichen 20-Seelen-Dorf auf dem Land: die Kirche steht immer im Mittelpunkt und ist jeweils sehr gut gepflegt und oft minimalistisch-modern gebaut. Gemäss Wikipedia ist diese Annahme insofern zutreffend, dass mehr als 90% der Isländer zwar nie aus der staatlichen Kirche austreten und entsprechend Kirchensteuern bezahlen, laut einer grossen Umfrage aber grösstenteils gar nie oder nur sehr selten zum Gottesdienst gehen. Mit der bezahlten Steuer möchten sie viel mehr die Kirchen und deren Geschichte bewahren.

Nun aber zurück zu unserem Trip: nachdem wir in der ersten Nacht trotz starker Müdigkeit aufgrund der Partymeute, welche vor den Lokalen in der Innenstadt lautstark herumgrölt, nicht viel Schlaf fanden, beschlossen wir am folgenden Abend, Feuer mit Benzin zu bekämpfen und nahmen selbst aktiv am Nachtleben teil. Dieses besteht ausschliesslich aus zahlreichen Bars – so etwas wie Discos gibt es auf Island nicht – welche meist gemäss einem Motto dekoriert sind und im Laufe der Nacht immer mehr zur Tanzfläche werden. Weil man aber überall immer anstehen muss (als Schweizer zum Glück nicht lange; Leute mit isländischem Ausweis mussten wesentlich länger in der Schlange warten), die Musik nicht gerade unserem Geschmack entsprach und der Alkohol so unverschämt teuer ist (ein Bier kostet etwa CHF 12.-), haben wir die Party aber lange vor deren Ende um 05:00 abgebrochen und sind einen kleinen Happen essen gegangen. Wer nun aber an Döner vom Steinengrill für 8.- denkt, liegt weit daneben: unser kleiner Hunger führte uns zwar zu einer Imbissbude und Burger mit Pommes gab es auch, aber statt Mayo oder Ketchup war Sauce Bérnaise drin, die Pommes sind in Paprika und Chilli getaucht und kosten tut das Ganze auch noch ein kleines Vermögen (20.- !!!). Wie zum Henker können sich junge Isländer das alles leisten und jede Woche zwischen Donnerstag und Sonntag Party machen?

Nach den kurzen Nächten wäre uns Wellness – etwas, wofür Island mit seinen vielen Thermalquellen auch bekannt ist – gelegen gekommen. Die „Blue Lagoon“, welche in der Nähe der Haupstadt liegt und in praktisch allen Reiseführern als Heiliger Gral der natürlichen Spas gepriesen wird, wäre dazu eigentlich ideal gewesen, noch dazu bei dem regnerischen Wetter, welches seit unserer Ankunft auf der Insel vorherrschte. Aber auch hier hat uns Island einen Strich durch die Rechnung gemacht: den Eintritt vor Ort zu kaufen kann man dank der riesigen, vornehmlich asiatischen, Menschenmasse, welche sich seit einigen Jahren täglich per Bustour über die Insel wälzt, vergessen. Die Lagune war für die nächsten zwei Wochen komplett ausgebucht, wohlgemerkt bei Preisen AB CHF 90.- pro Person! Gut, evtl. könnte man dies als Wink des Schicksals verstehen, gibt es doch in der Nähe von Reykjavik eine hübsche Alternative (Laugarvatn Fontana; am Wochenende jedoch von Isländern überrannt, welche die Blue Lagoon ebenfalls meiden) und über das Land verteilt noch viele – teilweise schönere und sehr oft kostenlose – Bademöglichkeiten, wo man sich nicht an übergewichtigen englischen oder alles fotografierenden chinesischen Touristen vorbeidrängeln muss. Unser Lieblingsbad ist übrigens das „Myvatn Nature Bath“, welches genau so intensiv blaues Wasser hat, wie die blaue Lagune und darüber hinaus inmitten einer gigantischen Bergkulisse liegt.

Entsprechend ohne Wellness ging unser Island-Umrundungsabenteuer los. Zu allem Unglück waren auch die ersten Tage davon, welche wir im Süden der Insel verbrachten, von weiteren, teils extrem heftigen Regenfällen durchzogen, sodass die Eindrücke durch Gullfoss (riesiger Wasserfall), Strokkur (bekanntester Geysir in Island, weil seine Eruptionen in regelmässigen Abständen von 6-10 Minuten erfolgen) und Skogafoss (weiterer Wasserfall) mehrheitlich getrübt wurden und das Licht für Fotos nicht ideal war. Dieses Wetter hatte aber auch Vorteile: so wurden wir nicht wirklich nässer als wir sowieso schon waren, als wir beim Seljalandsfoss hinter dem Fall durchgingen oder uns bei unserer geführten Gletschertour auf dem Solheimajökull mit Steigeisen und Pickel bewaffnet durch eine enge, wunderbar blau leuchtende Eishöhle quetschten J. Und laut unserem Guide bei der Gletscherbesteigung waren wir auch bei weitem nicht die Einzigen mit diesem Schicksal: so hat es seit August 2016 praktisch nie geschneit, sondern war viel zu warm und hat sehr oft geregnet. Wegen diesem nicht-vorhandenen Winter sind auch die Gletscher Islands noch viel schneller am wegschmelzen, als sowieso schon (50 Meter pro Jahr, statt 20-30 Meter). Und obwohl die isländischen Gletscher in den Vulkangebieten des Kalla und des Vatna die beiden grössten in Europa sind (der Gletscher des Vatna bedeckt 8100 Quadratkilometer und ist durchschnittlich 400 Meter dick; zum Vergleich: der Aletschgletscher bedeckt lediglich etwas mehr als 80 Quadratkilometer), werden sie vom voranschreitenden Klimawandel dahingerafft, sodass Forscher davon ausgehen, dass der Solheimajökull in 80 Jahren vollständig verschwunden sein dürfte. Einziger „Vorteil“ davon: bei einem Ausbruch von Kalla oder Vatna, würde wohl nur Island untergehen und nicht auch noch der Verkehr der gesamten Welt lahmgelegt (der unsägliche Eyjafjalla, welcher bei seinem Ausbruch 2010 Nicolas Heimreise aus Schweden mit seiner eisgeschwängerten Aschewolke um eine Woche verzögert hat, ist mit seinem 200 Meter messenden Krater und einer Eisdecke von durchschn. 50 Metern Dicke ein Winzling gegenüber Kalla und Vatna mit je bis zu 10 Kilometern Kraterdurchmesser und 750 Metern Eisdicke).

Manchmal waren Wetter und Zufall aber auch im Süden Islands wohlwollend gestimmt. Und so entpuppte sich unser Halt an einem „Parkplatz mit vielen leeren Touri-Autos“ als wahrer Glückstreffer: erstaunt über die verlassenen Fahrzeuge sind wir zu Fuss dem einzigen Weg in eine schier endlose Wüste aus schwarzer Lava gefolgt. Nach rund 30 Minuten Fussmarsch war der Parkplatz hinter uns verschwunden und am Horizont sah es immer noch genau gleich aus (eine schwarze Ebene…). Wir wollten schon umkehren, als uns endlich zwei Touristen entgegenkamen und eine gute und eine schlechte Nachricht überbrachten: die Schlechte war, dass der Weg noch 15 Minuten so weitergeht, die Gute, dass an dessen Ende nicht nur ein verlassener schwarzer Sandstrand lag, sondern darauf auch ein Wrack eines abgestürzten Flugzeugs zu finden ist. Die DC3 der US Navy bietet nicht nur ein sensationelles Bildmotiv, sondern ist trotz ihres Alters (abgestürzt ist das Flugzeug am 24. November 1973; alle Insassen haben überlebt) auch überaus gut erhalten. Der Grund dafür ist, dass der Absturz auf dem Privatgrundstück eines isländischen Bauers stattfand, sich dieser aber für seine „Lavawüste“ nie interessierte und das Wrack entsprechend auch nie bergen liess. Die US Navy hatte damals nur mitgenommen, was sie wieder verwerten konnten und den Rest liegengelassen (dieses Vorgehen ist laut Internet für die damalige Zeit „normal“; in Island sind zwischen 1941 und 1973 über 300 Flugzeuge von der nahegelegenen amerikanischen Luftwaffenbasis in Island abgestürzt). Dank den Bildern von Fotografen, sowie einem „Gastauftritt“ des Fliegers in einem Musikvideo von Justin Bieber, ist die DC3 so bekannt geworden, dass bis 2016 zehntausende von Touristen an den Strand gefahren sind. Weil die Strasse unbefestigt ist und sich das Wetter in Island sehr schnell ändern kann, kam es aber zu so vielen – teils tödlichen – Unfällen (im Schneesturm verfahren und erfroren, etc.), dass man heute die gesamten 10 Kilometer zu Fuss gehen muss.

Tödliche Unfälle (von einer Welle erfasst und weggespült), so wie die letzten Auswüchse des „Golden Circle Tourismus“ in Form von riesigen Bustouren, vermiesten uns auch etwas die nächsten zwei Sehenswürdigkeiten, weil Kirkjufjara und Reynisfjara (beides schwarze Strände mit sehr speziellen Gesteinsformationen) entweder geschlossen waren oder der Strand von El Arenal zur Hochsaison dagegen richtig unterbevölkert ausgesehen hat. Die Situation wurde erst besser, als wir weiter Richtung Osten fuhren und dabei hunderte von Kilometer an Ausläufern des Vatnajökull (Gletscher des Vatna) passierten. Die Gletscherabbrüche liegen dabei teilweise so nahe an der Hauptstrasse, dass man aussteigen und hinlaufen kann. Unser Highlight dieser Region war dann auch die Jökullsarlon, eine Lagune, welche bis an den Gletscher heranreicht: die Abbrüche fallen dort direkt in das Wasser und treiben dann als grosse „Eisberge“ gen Meer, wo sie an der Mündung langsam am schwarzen Strand dahinschmelzen.

Als Kontrastprogramm zu so viel Natur gönnten wir uns in Höfn, der grössten Stadt in Ostisland (knapp 2‘000 Einwohner), die lokale Spezialität gleich zu mehreren Mahlzeiten: Hummer/Languste mit Kartoffeln, Hummer/Languste auf der Pizza, ja sogar „Hummer/Langusten-Sandwich-Burger“ im lokalen Fast-Food-Stand. Entsprechend wohlgenährt sieht hier auch die lokale Bevölkerung aus… Zusammen mit der sehr ausgefallenen Unterkunft – wir übernachteten in einer umgebauten ehemaligen Milchfabrik – war dies definitiv eine Abwechslung zu den rauen Naturerlebnissen, welche in den nächsten Tagen kommen sollten.

Zum ersten Mal verliessen wir nämlich die Küste: genauso schnell, wie es bergauf ging, kam der Schnee (man erinnere sich: vorher hatte es immer nur geregnet). Und genauso schnell verschwanden die letzten Bustouren und die meisten der unseligen „Kleinwagentouris“. Dieser Begriff ist hier übrigens definitiv abwertend zu verstehen: obwohl wir zuhause – wenn überhaupt – auch mit einem kleinen Auto unterwegs sind und SUVs aus unserer Sicht in mitteleuropäischen Ländern eher eine begrenzte Daseinsberechtigung haben, sieht die Situation in Island komplett anders aus: abgesehen von Reykjavik und Teilen der Westküste sind die Strassen a) sehr kurvenreich, b) sehr steil und c) meist mit Eis und/oder Schnee so bedeckt, dass man sie kaum mehr sieht. Während a mit dem entsprechenden Können gemeistert werden kann (was bei den meisten Touris auch nicht der Fall ist; geht es gerade aus fahren sie einem extrem dich auf, wird’s kurvig verursachen sie Stau), erfordert b eine gewisse PS-Zahl und c 4×4-Antrieb und idealerweise Spikes. Dummerweise kosten b und c viel Geld, welches bei den jungen Hipstern, welche die teure Modedestination Island anschauen wollen, nicht vorhanden ist (a aufgrund des jungen Alters übrigens genauso wenig). Dies endet des Öfteren wohl in Versicherungsfällen und Rettungsaktionen. Auch wir haben an einem Nachmittag zwei Exemplare der Gattung Kleinwagentouri 1:1 beobachtet, wie sie auf einer schneebedeckten Nebenstrasse schneller unterwegs waren als wir, und prompt in ein zugefrorenes, sehr tiefes Schlagloch gekracht sind, aus dem sie ohne Hilfe nicht mehr herausgekommen sind…

Die „Strasse“ in Richtung des zentral gelegenen Myvatn (alkalischer See) verdient diesen Namen auf weiten Strecken ebenfalls nicht, da sie teilweise unbefestigt und sehr oft schneebedeckt ist. Entsprechend kommt es oft vor, dass man während 30 Minuten oder mehr kein einziges anderes Auto sieht. Sogar bei den bekannten Wasserfällen Dettifoss und Selfoss tritt man sich nicht auf die Füsse. Und die Sonne zeigte sich sogar auch schon ein bisschen!

Für uns waren die Highlights dieser geothermisch überaus aktiven Region aber nicht die Wasserfälle, sondern die heissen Quellen, welche überall am Strassenrand aus Löchern sprudeln und zischen (und dabei den Geschmack von faulen Eiern wieder allpräsent machen), die fantastisch blauen Badegrotten von Griotagja, das Lavafeld von Dimmuborgir (beides bekannt aus Game of Thrones) oder die verschiedensten Vulkane, welche man einfach besteigen kann. Und all dies bei wunderbarstem Sonnenschein! Übertroffen wurde das Ganze nur durch das Spektakel in der Nacht: nach Jahren des „nordischen Frustes“ (wir waren vor einigen Jahren ja hauptsächlich nach Lappland gefahren, um Polarlichter zu sehen) versöhnte uns Island auf einen Schlag mit der Welt und bot ein sensationelles Spektakel am Nachthimmel. Übrigens muss man dazu keine teure Tour buchen, wenn man einen Mietwagen hat: einfach auf den entsprechenden Internetseiten der Wetterdienste (vedur.is) und mit spezialisierten Apps („Aurora“) abchecken, wo die Wolkendecke nach Eindunkeln nicht oder nur sehr begrenzt vorhanden ist und dann in dem entsprechenden Gebiet eine möglichst dunkle Ecke suchen (klare Sicht und Dunkelheit sind die halbe Miete; der Rest ist von den Sonnenwind-Aktivitäten abhängig und nur sehr schlecht prognostizierbar; Ausschau halten nach „Kondensstreifen“ am dunklen Himmel, da oft Beginn von Nordlicht).

Nach einer langen Nacht und wegen des bereits wieder einsetzenden Schneefalls haben wir einen Tag Pause eingelegt und sind zur Erholung ins Myvatn Nature Bath gefahren, um im warmen Wasser zu entspannen. Entsprechend erholt konnten wir die anstehende lange und intensive Fahrt über verschneite und vereiste Pässe und Strassen via Akurery (grösste Stadt im Norden Islands und zweitgrösste das ganzen Landes) nach Borgarnes antreten, was ein grosser Vorteil ist, wenn man bei den herausfordernden Strassenverhältnissen gut vorankommen (auch in den Bergen gilt Tempo 90 J ) und regelmässige Fotostops – z.B. bei den herzförmigen Rotlichtern von Akurery – einlegen will.

Borgarnes liegt lediglich etwas mehr als eine Fahrstunde nördlich von Reykjavik. Wir haben dort eine Unterkunft gebucht, weil es der ideale Ausgangspunkt für mehrere verschiedene Aktivitäten ist, darunter auch wieder die Möglichkeit zu einer Gletscherbesteigung. Da wir diese jedoch bereits im Süden gemacht hatten, verwendeten wir die Zeit lieber für eine Umrundung der Halbinsel Snaefellsnes im Nordwesten. Diese wird von vielen Leuten als „Mini-Island“ bezeichnet, weil sie auf relativ kleinem Raum alle Klimazonen Islands beherbergt: von Gletscher bis Strand, von Vulkanen bis zu fruchtbaren Ebenen ist alles vorhanden. Nachdem wir in den letzten Wochen bereits die „grosse“ Variante von Island gesehen hatten, konnte die Halbinsel bei uns nur mässigen Eindruck hinterlassen. Begeistert haben uns lediglich die schwarzen Sandstrände, welche schneebedeckt waren und an deren Riffen sich imposante Wellen brachen, sowie ein kleiner Abstecher auf einer „richtigen“ Bergstrasse, wo selbst mit unserem Offroader nach ca. 4 Kilometern aufgrund des tiefen Schnees an ein Weiterkommen nicht mehr zu denken war. Und ja: auch hier haben wir die weiter oben beschriebene Gattung junger, leichtsinniger Touristen getroffen, welche mit einem Wohnmobil versuchten, die Strasse zu befahren; wie weit sie gekommen sind, wissen wir nicht, da wir ihnen erst nach dem Umkehren begegnet sind…

Der grösste Vorteil der Lage von Borgarnes waren der starke Wind an der Küste, welcher die Wolken immer rasch weggeblasen hat, sowie die begrenzte nächtliche Lichtverschmutzung aufgrund der Distanz zu Reykjavik. Und so kamen wir in den Genuss einer weiteren faszinierenden Nacht mit Polarlichtern. Diese waren so gut sichtbar, dass wir sie sogar im „Hot Tub“ (ein hölzerner Bottich mit heissem Thermalwasser) auf unserer Hotelterrasse noch geniessen konnten.

Leider waren damit schon unsere beiden letzten Tage in Island gekommen: nach einer relativ unspektakulären Fahrt nach Reykjavik – einziger erwähnenswerter Teil ist ein Strassentunnel, welcher tief unter dem Meer einen Fjord durchquert – nutzten wir die verbleibende Zeit ein letztes Mal für die „Aurora-Jagd“ in der Nacht, wobei diese nicht besonders ergiebig war, was erstens an der erheblichen nächtlichen Beleuchtung durch die Lichter der Stadt auch 15 Kilometer ausserhalb von Reykjavik lag und zweitens wohl auch an unserer frühen Rückkehr ins Hotel, welche auf die dutzenden riesigen chinesischen Bustouren zurückzuführen war, die uns gefühlt auf Schritt und Tritt in der Nacht gefolgt sind. An diesem Beispiel konnte man sehr gut erkennen, dass auch die Touranbieter lediglich Wetterkarten lesen und möglichst dunkle Ecken suchen.

So launisch und rau wie uns Island begrüsst hatte, wollte es uns auch verabschieden: für den Mittag unseres Heimreisetages war ein so schwerer Sturm angekündigt, dass zwischen 12:00 und 17:00 sogar die einzige Strasse von Reykjavik zum Flughafen wegen des Windes gesperrt worden ist. Und obwohl die Crew unseres Fliegers die Passagiere beim Einsteigen regelrecht angetrieben hat, war bis zum (sehr holprigen) Start nicht sicher, dass uns die Insel nicht noch etwas behalten würde. Bei Nicola kamen schon Erinnerungen an vergangene isländische Launen der Natur auf, welche die Heimreise massiv erschweren. Glücklicherweise erhielten wir aber trotzdem noch Starterlaubnis und konnten unseren Rückflug mit etwas Verspätung antreten.

Unser Fazit: Island ist eine Insel der Vielfalt und der Überraschungen. Und auch wenn diese nicht immer positiver Natur sind, hat uns das Erlebte mehr als nur dafür entschädigt. Verbunden mit der stetigen isländischen Stresslosigkeit können wir Island als Reisedestination für Naturliebhaber wärmstens empfehlen.

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