Der Ort des Geschehens – der Pazifik – blieb bei unserem nächsten Ziel derselbe; verändert hat sich nur die Sprache: “Buenos dias” statt “Bonjour”, “Gracias” statt “Merci”; Südamerika, wir sind da! Zwar ist die Osterinsel noch kein typisches Beispiel lateinamerikanischer Lebensart, einige – teilweise sehr prägnante – gibt es aber: erstens nimmt sich hier kein Beamter zu wichtig – der Zollbeamte am Flughafen trug ein Poloshirt und Pferdeschwanz und hatte auch nichts dagegen, dass wir das Einreiseformular erst bei ihm am Schalter ausfüllten, obwohl hinten ca. 50 Personen angestanden sind – zweitens steht hier keiner vor acht Uhr auf, drittens reitet man(n) hier hoch zu Ross in den Ausgang und viertens gibt es im kleinen Supermarkt nicht nur Dosenfutter zu kaufen! Alles sehr sympathische Unterschiede.
Von all den Konservierungsstoffen und dem polynesischen Vitaminmangel geschwächt, konnte auch das seit langem erste reichhaltige Abendessen nicht verhindern, dass wir den nächsten Tag mit leichtem Fieber im Bett verbrachten. Und so fand die geplante Mountainbike-Tour dann eben am Folgetag statt. Das war aber auch gut so, räumte die Osterinsel bei dieser Gelegenheit doch gerade mit einem weiteren Bild auf, welches wir bisher von pazifischen Inseln hatten: statt wie gewohnt locker mit einem alten Drahtesel bei hohem Tempo über eine weitgehend flache Strecke zu radeln, quälten wir uns – mit einem modernen Fahrrad wohlbemerkt – bergauf und –ab, durch tiefe Wasserlöcher (hier Pfützen genannt) und über Steine, welche fast so gross waren wie die Sehenswürdigkeiten selbst. Und wenn es dann ausnahmsweise einmal bergab ging, war der Gegenwind so enorm, dass wir den Hügel fast wieder rückwärts hochgeschoben wurden. Dafür entschädigt wurden wir mit dem Anblick der beeindruckenden Steilküste, dem klaustrophobischen Abstieg in eine Höhle mit “Fensterchen” aufs Meer und natürlich den ersten “Moais”, den weltbekannten “Steinköpfen”. Diese wurden vermutlich ungefähr 1400 errichtet und dienten höchstwahrscheinlich einem alten Totenkult. Allerdings sind sich auch Wissenschaftler darüber bis heute nicht einig.Von den ursprünglich mehr als 800 Statuen existieren heute nur noch ein paar wenige, da sie während wiederkehrender Unruhen stückchenweise zerstört und erst in jüngster Zeit wieder restauriert worden sind. Die besterhaltenen tragen eine Kopfbedeckung aus einem speziellen Vulkangestein (sog. “Pukao”), eine einzige Figur hat sogar “richtige” Augen.
Von so viel körperlicher Anstrengung und Kultur erschlagen, beschlossen wir, die Umrundung der Insel am nächsten Tag mit dem Motorroller zu absolvieren, statt wie ursprünglich geplant mit dem Fahrrad. Und so kam es, dass wir bei strömendem Regen und entsprechend schlammigen Strassenverhältnissen versuchten, einen Vulkan hochzufahren und dabei kläglich scheiterten. Entsprechend mehr Zeit blieb uns für die Besichtigung weiterer Steinhaufen am Wegesrand, wobei sich einige wohltuend von anderen abheben, z.B. aufgrund ihrer Anzahl oder ihrem Standort (direkt am Meer bzw. am einzigen Strand der Insel). Da wir ausserdem nicht dazu bereit waren, 60 Dollar pro Person an Eintrittsgelder zu bezahlen, blieb uns die “Geburtsstätte” der Moais mit mehr als 300 Exemplaren dieser heiligen Hinkelsteine erspart. Dafür fuhren wir am Ende der Tour dann aber doch noch auf einen Vulkan, wenn auch nicht den anfangs geplanten (dort wurden übrigens früher die “Pukaos” hergestellt; also auch dies ein Herstellungsort von Steinhaufen ).
Fazit der Osterinsel: für Liebhaber antiker Steinansammlungen das Paradies (falls du zu diesen gehören solltest: es gibt sogar Moais unter Wasser, welche man auf speziellen Tauchgängen besichtigen kann), für alle Normalsterblichen eine durchaus interessante Episode und ein lohnenswerter Abstecher – wenn er denn nicht zu lang ist (maximal 3 – 4 Tage).
Umgekehrt scheint uns die Insel nicht loslassen zu wollen. Anders können wir uns nicht erklären, wieso der geplante Weiterflug am nächsten Tag zuerst sechs Stunden Verspätung hatte, anschliessend die Wartenden gebeten wurden, einzusteigen, nur um sie zehn Minuten später aufgrund technischer Probleme für weitere sechs Stunden wieder auszuladen… Immerhin behalten wir so den unvergleichlichen Sonnenuntergang von Rapa Nui im Gedächtnis.