Ra’iatea und Taha’a waren zwar schön, dem Südsee-Klischee haben die beiden Inseln aber nicht unbedingt entsprochen. Da natürlich auch wir in erster Linie einen Abstecher nach französisch Polynesien gemacht haben, um den perfekten Strand mit weissem Sand, elegant geschwungener Palme und türkisblauem Wasser zu finden, heisst unsere nächste Destination Maupiti. Die kleine Insel mit etwas mehr als 1’000 Einwohner gilt als absoluter Geheimtipp unter den sog. “Gesellschaftsinseln” und ist vor allem wegen ihrer fünf wunderschönen Motus (kleine Wiederholung vom letzten Mal: ein Motu ist ein kleines Inselchen auf dem ringförmigen Riff rund um die Lagune und besteht grösstenteils aus Korallen) bekannt. Das Erste sieht man schon bei der Landung in seiner vollen Pracht: beim Anflug von oben und nach der Landung bei der Gepäckausgabe. Überhaupt haben wir den Flughafen von Maupiti als den schönsten und einer der spektakulärsten bisher empfunden: da er auf einem Motu liegt, ist die Landepiste so kurz, dass das Flugzeug auch bei schönem Wetter nur unter Einsatz einer Vollbremsung rechtzeitig zum stehen kommt; bei schlechtem Wetter kann die Insel gar nicht angeflogen werden. Ausserdem besteht die “Ankunft- und Abflughalle” aus einem überdachten Viereck mit improvisierter Gepäckausgabe, einer Toilette und zwei Schaltern. Und selbstverständlich liegt das Ganze direkt an der türkisfarbenen Lagune! Entsprechend anders gestaltet sich auch der “Flughafentransfer” zum Hauptort der Insel. Wo in anderen Ländern bzw. auf anderen Inseln der öffentliche Bus verkehrt, setzt man hier mit einem Motorboot über, auf welchem – abgesehen von den Touristen – jeweils auch das gesamte Flughafenpersonal (zwei Schalterangestellte, zwei “Gepäckverlader” und ein Feuerwehrmann) mitfährt, da sowieso nur alle drei Tage ein Flugzeug fliegt…
Im einzigen Dorf der Insel angekommen, wurden wir vom Ehemann der Hostelbetreiberin abgeholt und in unsere Unterkunft gebracht. Dort wurde uns dann noch der einzige andere Gast vorgestellt: eine ehemalige Langzeitreisende, welche nach sieben Jahren unterwegs in Maupiti hängen geblieben ist und nun bereits seit acht Jahren alle wichtigen (und unwichtigen) News von Maupiti für die einzige Zeitung in Polynesien zusammenträgt. Da sie sich in der Pension anscheinend sehr wohlfühlt, wohnt sie auch heute noch dort, wobei “hausen” wahrscheinlich der treffendere Begriff wäre, da in ihrem Zimmer und der eigenen kleinen Küche ein heilloses Chaos herrscht. Bei der ersten Besichtigung unseres Zimmers dann die nächste Überraschung: direkt vor dem Fenster liegen die verstorbenen Familienmitglieder unter der Erde. Sorgt zwar bei entsprechender Windrichtung für etwas Mief, dafür hat man aber keine lärmenden Nachbarn (leider schreien diese auch nicht, wenn ein Einbrecher sein Glück am Fenster versucht; so geschehen am zweiten Abend! Zum Glück waren wir noch wach und konnten ihn mit Rufen schnell in die Flucht schlagen…)
Unser erster Gang nach Deponierung der Rucksäcke führte uns natürlich in einen von zwei Dorfläden (da hier jeder geöffnet zu haben scheint, wann er möchte, ist es oft reine Glückssache, ob man vor geschlossenen Toren steht oder nicht), wo wir zu unserem grössten Entsetzen feststellen mussten, dass das Sortiment in Ra’iatea verglichen mit hier geradezu als erschlagend bezeichnet werden kann: abgesehen von Dosenkarotten und –mais, Instantkaffee, Reis, Nudeln und Cola, gabs nichts zu kaufen! Zwar sollten wir bereits am nächsten Tag den Grund für die nicht vorhandene Auswahl kennen – das Versorgungsschiff, welches nur einmal im Monat anlegt, hat eine Woche Verspätung!!! – von frischer oder gar gesunder Ernährung konnte aber weiterhin keine Rede sein. Das Problem wird zusätzlich noch durch die Tatsache verschärft, dass die Einheimischen wahrscheinlich zu einem Viertel von Hamstern abstammen: anders lässt sich nämlich nicht erklären, weshalb die gut gefüllten Regale zwei Tage nach erfolgter Warenlieferung bereits wieder leer und die Baguettes beim Bäcker bereits morgens um 9 Uhr ausverkauft waren. Wenigstens wissen wir jetzt, dass in den durchschnittlich fünf Kühltruhen pro Haushalt nicht die Überbleibsel letzten Touristen “zwischengelagert” werden.
Die Mangelernährung, welche langfristig unausweichlich ist, könnte zusammen mit der sicherlich weit verbreiteten Inzucht, dem Konsum von “horizonterweiternden Stoffen” (werden direkt hier angebaut) und der erhöhten atomaren Belastung der Umwelt (die Franzosen haben bis 1997 Polynesien zum Test von Kernwaffen genutzt, streiten bis heute aber jegliche Schuld ab) auch eine Erklärung dafür bieten, weshalb die Leute hier alle etwas “verlangsamt” sind und geistigen Halt in einer der zahlreichen Freikirchen (für die 1’200 Einwohner gibt es neben Katholiken und Protestanten noch sechs weitere Institutionen) suchen, welche oft von ausgewanderten Europäern geführt werden. Speziell diese Tatsache ist es leider auch zu verdanken, dass die ursprüngliche polynesische Kultur auf Maupiti – im Unterschied zu Ra’iatea und Taha’a – praktisch nicht mehr gelebt wird.
Was uns ein weiteres Mal erstaunt hat, ist die Tatsache, dass man trotz tropischem Klima mit viel Regen (praktisch jede Nacht, zweimal sogar am Tag) im Supermarkt so gut wie nie frische Früchte kaufen konnte, da die Leute zwar Bananen, Mangos, Guava und Papaya selbst anbauen, in der Regel aber auch alles selbst konsumieren und nur eventuelle Überschüsse direkt an der Strasse verkaufen. Und so gabs halt die tägliche Dosis an Vitaminen einmal mehr in Form von Kapseln…
Hitze, Feuchtigkeit, Einbrecher, Mücken, schlechtes Essen, etc. Sollte man denn Maupiti überhaupt besuchen? Ja doch, unbedingt! Alleine der Besuch der Motus entschädigt einen für viele Mühseligkeiten. Zwar gibt es auf der Hauptinsel selbst auch einen Strand, dieser verblasst aber komplett gegenüber dem “Motu-Feuerwerk”: Postkartenstrände und –wasser, Stachel- und Mantarochen direkt vor dem Ufer (Letztere sieht man leider nur bei klarem Wasser, da sie sich in einer tiefe von acht Metern aufhalten) und die Möglichkeit, mit einem gemieteten Kajak bis zum äussersten Korallenring vorzustossen, lassen einen Blutsauger, Dosenfrass und dumme Menschen schnell vergessen. Und wenn man besonderes Glück hat, wird man von den Vermietern des Kajaks noch zur Degustation der exklusiven Guava-Konfitüre aus Eigenproduktion eingeladen! Obendrauf gibts dann noch gratis einen zünftigen Sonnenbrand, welcher einen auch drei Tage später noch an die grandiosen Erlebnisse erinnert. Ebenfalls ins Gedächtnis brennt sich auch die Besteigung des knapp 400 Meter hohen Felsklotzes im Zentrum der Insel: selbst wir als gestandene Bezwinger des Mount Kinabalu (man erinnere sich an dessen Höhe von knapp 5’000 Metern) haben 15 lausige Meter vor dem “Gipfel” kapituliert. Denn was sich einfach anhört, hat es gehörig in sich: steile Aufstiege über nahezu nicht erkennbare Dschungelpfade wechseln sich mit halsbrecherischen Kletterpartien ab, welche an einigen Punkten so gefährlich sind, dass Seile montiert wurden, um sich provisorisch daran abzusichern. Leider muss man gerade auf den letzten 20 Metern komplett auf diese Hilfe verzichten, obwohl es gerade da speziell nötig wäre… Für passionierte Freeclimber wahrscheinlich ein Klacks, für uns den Weg ins (weit, weit entfernte) Spital nicht wert. Gute Panorama-Ausblicke gab es zum Glück aber schon von unterwegs!
Fazit für Maupiti: wer genügend Mückenspray und Sonnencreme mit hat, sich aus der Studentenzeit noch an Dosenfutter gewohnt ist und sich weder vor Toten noch Einbrechern fürchtet, dem sei die kleine Insel vorbehaltlos empfohlen. Zur Belohnung gibts abschliessend übrigens noch eine Blumenkette, bevor man vom Boot zurückgebracht wird zum schönsten Flughafen der Welt.
Hallo Nicola ,war 2013 7 Wochen in Fra. Polynesien ( Moorea, Bora Bora , Maupiti , Tahiti ) Kann ich euch ein paar Bilder schicken ? Viele Grüße Silvio ( Facebook )
Hi Silvio
7 Wochen in der Südsee! Das ist cool, da wären wir natürlich sofort wieder dabei 🙂
Was möchtest du denn, dass wir mit den Bildern machen? In den Blog laden wir prinzipiell nur unsere eigenen Fotos, da wir dann sicherstellen können, dass wir auch tatsächlich das Copyright daran haben und so nicht in juristisches Ungemach fallen.
Wenn du die Fotos zeigen möchtest, empfehle ich dir das Eröffnen eines eigenen Blogs.
Geht schnell und kostet in der Basisversion auch nichts…
Beste Grüsse,
Nicola