Segeltörn Kanaren by Nicola: aller Anfang ist schwer

Individualreisender bleibt man wohl ein Leben lang. Erwartungen und Reisestil ändern sich aber zwangsläufig, speziell wenn man nicht mehr den Ferienumfang von Studenten hat und die 5-6 Wochen pro Jahr entsprechend gut geplant sein wollen. Wenn also ausgedehnte Rucksackreisen zeitlich nicht mehr drinliegen und Party und Dorm-Betten der Hostels nicht mehr den gewünschten Erholungswert bieten, man sich aber nicht ausschliesslich in Hotels und mit der Masse begnügen möchte, muss eine neue Form des Reisens her. Und so haben wir im letzten halben Jahr die Fortbewegung auf dem Wasser für uns entdeckt: den nationalen Motorbootschein haben wir bereits in der Tasche, derjenige für das Segeln auf Schweizer Gewässern sollte in den nächsten Monaten folgen und gleichzeitig sind wir bereits in der frühen Phase des Hochseescheins, auch wenn dessen Vervollständigung noch ein, zwei Jahre dauern dürfte, da man nicht nur eine 7-stündige Prüfung in Theorie und Navigation absolvieren, sondern auch 1’000 Seemeilen praktische Erfahrung nachweisen muss. Das Sammeln dieser Meilen erfolgt im Rahmen von Ausbildungstörns und so ist uns die Planung für unseren Weihnachtsurlaub entsprechend leicht gefallen: passendes Segelrevier gesucht (im Winter aufgrund Temperaturen nur Kanaren), Schiff mit Skipper gechartert und Flug gebucht.

Im Nachhinein betrachtet, hätten wir uns wohl etwas eingehender mit der Thematik beschäftigen sollen. Dann hätten wir evtl. auch bemerkt, dass die Kanaren als Starkwindgebiet mit ordentlichem Wellengang zählen (6-8 Beaufort, 2-3 Meter hohe Wellen) und die tägliche Segeldauer aufgrund der grossen Distanz zwischen den Inseln mit 7-9 Stunden relativ hoch ist. Mit diesem Wissen hätten wir uns wahrscheinlich auch die nicht so angenehmen Erlebnisse des ersten Tages erspart, als unsere Speiseröhre aufgrund des Seegangs beschloss, ihre Funktionsweise umzukehren und den Mageninhalt nach oben und über Bord zu befördern. Das kurzfristig eingenommene Medikament konnte am ersten Tag auch keine Abhilfe mehr schaffen und so wurden wenigstens die Fische zwischen Teneriffa und Gran Canaria mit einem vorgekauten Frühstück versorgt. Am zweiten Tag verhinderte die frühe Einnahme der Tropfen gegen Seekrankheit eine Wiederholung des Spasses, führte aber dazu, dass ein Faultier auf Valium mehr körperliche Aktivität zeigte, als wir. Ab Tag drei konnte uns die See dann auch ohne Chemie nichts mehr anhaben und wir konnten das Segelerlebnis geniessen und viel Erfahrung sammeln. Die Fahrstrecken wurden dadurch zwar nicht kürzer, aber wir waren endlich in der Lage, die hier heimischen Delfine und Wale zu sehen, Gespräche mit Skipper und weiterem Gast zu führen, Knoten und Segeltechnik zu vertiefen und ganz allgemein herunterzufahren. Dies hat auch darüber hinweggetröstet, dass die Inseln der Kanaren mit Ausnahme des sehr schönen La Gomera von See aus gesehen ziemlich trist sind und unser Kahn aufgrund seines Alters an einigen Stellen dem hohen Wellengang nicht mehr 100% widerstehen konnte und wir unser Bettzeugs abends manchmal trocknen mussten.

Auch die Hafenerlebnisse sind durchaus erwähnenswert: charmante Schiffsnachbarn wechselten sich mit dauersaufenden Russen ab, kleine Fischerhäfen mit grasvertickenden Hippies mit grossen, industriell ausgerichteten Häfen. Highlight eines jeden Tages im Hafen war das Bestaunen der – sehr oft nicht vorhandenen – Einpark-Fähigkeiten der Schiffsmieter. Und wenn dann noch an der falschen Stelle im Hafen angelegt wurde war eine kleine Prügelei zwischen „Falschparker“ und „Möchtegern-Stegbesitzer“ nicht ausgeschlossen.

Action gabs also genug und nachdem wir nun auch wissen, wo etwas gemässigtere Segelgebiete zu finden sind, wird die Geschichte sicher eine Fortsetzung haben.

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